Insektensterben – was wir dagegen tun können

Achtsam sprechen
21. April 2021
Alle drei DYI Wildbienenhotels
Wildbienenhotel – DIY
5. Mai 2021
Achtsam sprechen
21. April 2021
Alle drei DYI Wildbienenhotels
Wildbienenhotel – DIY
5. Mai 2021
Show all

Insektensterben – was wir dagegen tun können

I. Aktuelle Zahlen und Fakten

Der weltweite Rückgang der Insektenpopulationen und -arten ist vielfach belegt, auch wenn es noch keine aussagekräftigen gesamt-globalen Studien gibt. Untersuchungen hierzu fehlen vor allem aus Afrika, Asien oder Lateinamerika. Die vorhandenen, lokalen Studien kommen aber alle zu einem ähnlichen Ergebnis: die Vielfalt und die Menge der Insekten nehmen deutlich ab. Der Rückgang der Insekten hier in Deutschland ist gut erforscht.

Ein paar Zahlen und Fakten:

  • Gut 90% aller Tierarten weltweit sind Insekten. Sie sind die artenreichste Gruppe aller Lebewesen und in allen Ökosystemen der Welt zu Hause.
  • Unsere Ökosysteme sind auf Insekten angewiesen – sie stehen am Beginn der Nahrungskette. Insekten sind also systemrelevant.
  • 2/3 der Kulturpflanzen sind auf Insektenbestäubung angewiesen. Wir brauchen die Insekten, denn sie bestäuben unsere Kulturpflanzen und sorgen damit für unsere Nahrungsmittel.
  • Die hohe weltweite Nachfrage an Agrarprodukten – vor allem nach Fleisch und Milch – ist derzeit für den größten Teil der Regenwaldrodungen verantwortlich. In den tropischen Ländern Asiens und Südamerikas ist dadurch eine hohe Anzahl und Vielfalt an Insekten bedroht.

Studien aus Deutschland weisen dramatische Zahlen auf:

  • Innerhalb von 27 Jahren ging die Biomasse der Insekten in ausgewiesenen Schutzgebieten um mehr als 75% zurück.
  • Innerhalb von 10 Jahren finden sich auf Wald- und Wiesenflächen rund 1/3 weniger Insektenarten.
  • In dem selben Zeitraum ging auch die Biomasse der Insekten in den Wäldern um 41% zurück und auf Wiesen um 67%.
  • Von 515 Bienenarten in Bayern sind derzeit min. 1/3 auf der roten Liste gefährdeter Arten.
  • Rund 400 Schmetterlingsarten wurden seit dem Jahr 2000 in Bayern nicht wieder gefunden.

Gründe für das Insektensterben:

  • Pestizid- und Herbizideinsatz in der Landwirtschaft
  • Zu hohe Stickstoffbelastung, hervorgerufen vor allem durch Verkehr und Landwirtschaft
  • Lebensraum- und Nahrungsverluste durch Verbauung, aber auch durch riesige Monokulturen in der Landwirtschaft sowie durch Steingärten
  • Lichtverschmutzung – vor allem vielen Falterarten wird unsere Nachtbeleuchtung oft zum Verhängnis

Die nötigen Handlungen, die auf dieses Wissen folgen sollten, lassen aber noch auf sich warten. Doch jeder einzelne von euch kann viel tun. Das ist der Grund für uns, diesen Beitrag zu verfassen. Auf Instagram haben wir zusätzlich gemeinsam mit anderen Accounts zum #insektenrettenleichtgemacht aufgerufen und konnten so schon etwas mehr Menschen erreichen und für das Thema begeistern.

II. Lebensraum für Insekten

Insekten brauchen Lebensraum – lasst uns unsere Gärten mit ihnen teilen und diese naturnah gestalten.

Wie schaffen wir also guten Lebensraum für Insekten?

  • Unordnung: Insekten lieben Unordnung in jeglicher Form. Das kann in Form von alten Holzstapeln, Erdhaufen oder einfach als Brachflächen geschehen – 2/3 der heimischen Wildbienen nisten im Boden und profitieren nicht von Insektenhotels – schenken wir ihnen also Erdflächen zum Nisten
  • Mehr Raum: Geben wir der Natur wieder mehr Raum in unseren Gärten – lassen wir Platz, an dem Brennnesseln, Wildpflanzen und Hecken sich ungestört entfalten dürfen
  • Wasserstellen: Legt Wasserstellen an – am besten in Form eines kleinen, naturnahen Teiches oder einer Seige. Schüsseln mit Wasser sind natürlich auch eine gute Alternative. Aus dem Wasser herausragende Steine helfen den Insekten nicht zu ertrinken.
  • Nahrungsangebot über das Jahr verteilt: Im Idealfall versorgen verschiedene Blühpflanzen mit unterschiedlichen Blütezeiten die Insekten von Frühjahr bis in den Herbst hinein mit Nahrung. Lasst im Herbst noch etwas Obst an den Bäumen hängen und Fallobst am Boden liegen. Insekten haben es im Spätherbst besonders schwer, noch ausreichend Nahrung zu finden, um damit Energie zu gewinnen. Obst hilft ihnen dabei.
  • Überwinterungsmöglichkeiten erhalten: Es hilft wenn wir den Garten im Herbst nicht so genau aufräumen. Lasst alte Blütenstengel stehen. Verschiedene Insekten benötigen verschiedene Nistmöglichkeiten. Viele Insekten nisten in abgestorbenen Stengeln. Sie freuen sich also über „alte“ Stengel und verblühte Blüten, die in unseren Gärten verweilen dürfen.

III. Auf heimische Pflanzen, Sträucher und Bäume kommt es an

Wer in seinen Garten Tiere locken und beobachten möchte, sollte auf jeden Fall auf heimische Sträucher zurückgreifen. Sie sind für viele Tiere eine wichtige Nahrungsquelle. Die heimische Tier- und Pflanzenwelt hat sich im Laufe einer gemeinsamen Entwicklungsgeschichte perfekt aufeinander angepasst. Fremdländische Pflanzen sind daher im ökologischen Sinne wertlos. Vielfach werden jedoch bevorzugt fremdländische Ziergehölze und Nadelbäume gepflanzt, die für die heimische Tierwelt nur von geringem ökologischem Nutzen sind. Zwar werden beispielsweise auch die Blüten der Zwergmispel (Cotoneaster) von Bienen umschwärmt und die Beeren der Mahonie von Amseln gefressen, aber das ist kein Vergleich zu dem überaus reichen Tierleben in einer Hecke aus heimischen Wildsträuchern. Deshalb lohnt es sich, sich vor Neupflanzungen zu informieren. Wir liefern deshalb hier einige Infos:

a) Pflanzen auf kleinen Flächen

Was kannst du tun, wenn du nur kleinere Flächen zur Verfügung hast? Hier geht es uns vorrangig um die Bepflanzung von kleineren Flächen oder eher kleineren Gärten. Wenn du keinen Garten hast, findest du bestimmt einen anderen Bereich. Das kann dein Balkon, deine Fensterbank oder ein Blumentopf vor dem Haus sein. Welche Pflanzen eignen sich hier für die Insekten?

Do’s

  • Frische Kräuter auf Fensterbank/Balkon/Garten: Lass die Kräuter blühen und du wirst sehen – Insekten lieben Salbei, Rosmarin, Oregano, Lavendel und viele andere Kräuter 🙂
  • Für viele Insektenarten ist die Veitshöchheimer Bienenweide eine Wohltat.
  • Achte beim Kauf von Zuchtpflanzen darauf, dass es Sorten sind, die Nektar produzieren und darauf, dass sie ungefüllte Blütenköpfe haben – diese produzieren am meisten Nektar und dieser ist besser erreichbar.
  • Wilder Wein und Efeu spenden Schatten und liefern Nahrung für Insekten, vor allem bei Efeu, der auf Holzwänden wächst, muss man aber aufpassen, dass er die Holzbalken etc. nicht beschädigt.
  • Verwende torffreie Erde.
  • Sträucher: Siehe unten.
  • Verzichte auf den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden.

Dont’s

  • Geranien, Petunien, gefüllte Rosen etc. anpflanzen. Sie produzieren nur wenig oder gar keinen Nektar und versorgen die Insekten also nicht mit Nahrung.
  • Exotische, nicht heimische Pflanzen kaufen
  • Torfhaltige Erde verwenden

b) Pflanzen auf größeren Flächen – Wiesenflächen, Sträucher und Bäume

Was kannst du auf größeren Flächen tun bzw. wofür kannst du dich auf kommunaler Ebene einsetzen? Welche Pflanzen eignen sich hier für die Insekten? Hier geht es uns vorrangig um größere Gärten bzw. große Flächen und um autochthones Saatgut.

  • Du kannst die „Allerweltsarten“, also die Arten die Standortunabhängig vorkommen z. B. mit der Veitshöchheimer Bienenweide sehr glücklich machen. Diese ist z.B. ein Paradies für Hummeln. Sehr gutes Saatgut für verschiedene Landschaftsarten findest du auch hier: https://www.rieger-hofmann.de
    Für naturnahe Flächen oder das Ausbringen von Samen in der Natur solltest du auf autochthones Saatgut zurückgreifen. Siehe unten.
  • Heimische Wiesenarten und Saumarten mögen die Insekten am liebsten, dazu gehören Glockenblumen, Margeriten, Malven, Kamille, kriechender Günsel, Gundermann und Ferkelkraut. Ferkelkraut ist ein Bienenliebling. Kriechenden Günsel und Gundermann mögen auch Schmetterlinge.
  • Heimische Arten sind auch bei der Wahl der Hecken, Sträucher und Bäume wichtig. Schlehe, Weißdorn, und Holunder und Wildrosen – z.B. wilde Hagebutten helfen den Insekten sehr. Dagegen hilft z.B. Forsythie den Insekten nicht.
  • Die Früchte des heimischen Weißdorns werden beispielsweise von 32 Vogelarten gefressen, die des nahverwandten nordamerikanischen Scharlachdorns jedoch nur von zwei Arten.
  • Der heimische Wachholder ernährt sogar 43 Vogelarten, der häufig in Gärten gepflanzte Chinesische Wacholder dagegen nur eine einzige Art.
  • Eine Weide liefert den Insekten im Frühjahr die erste Nahrung. Auch das ist sehr wichtig.
  • Achte – wenn du trotzdem Arten pflanzen möchtest, die nicht heimisch sind, unbedingt darauf, keine invasiven Arten zu pflanzen. Sommerflieder z.B. gehört zu den invasiven Arten. Die schwarze Liste der invasiven Arten findet ihr beim nabu 
  • Im allgemeinen gilt z.B. beim Wiesensalbei, den du in der Natur sähen möchtest, dass es besser ist, auf regionales, also autochthone Saatgut zurück zu greifen, damit man nicht zur Florenverfälschung beiträgt.
  • Verzichte auf den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden.
  • Für größere und vor allem für naturnahe Flächen oder zum Ausbringen direkt in die Natur lohnt es sich, genau hinzusehen. Hier sollte autochthones Saatgut verwendet werden.

Einschub – Autochthones Saatgut:

Der Begriff autochthones Saatgut meint Saatgut, das so regional wie möglich ist und daher sehr gut an die jeweilige Region angepasst ist. Die Artenvielfalt von Pflanzen ist regional sehr unterschiedlich und daher es ist nicht gut deren Erbgut zu vermischen. Pflanzenunterarten, die perfekt an die Begebenheiten im Landkreis Passau angepasst sind kommen z. B. in Norddeutschland nicht besonders gut klar, können sich aber vermehren oder ihr Erbgut mit den vorhandenen und an die Gegebenheiten perfekt angepassten Pflanzenunterarten mischen. Das führt zur Florenverfälschung. Generell gilt deshalb bei Saatgut: je regionaler es ist, desto besser. Je nachdem auf welchem „Level“ man arbeiten möchte, empfiehlt es sich also sich genauer zu informieren. Landschaftspflegeverbände, andere Naturschützer und Biologen unterteilen sogar innerhalb von Landkreisen nochmal und versuchen immer das zum Biotop oder zur Wiese passende Saatgut zu verwenden. Dazu kann man z.B. Mähgut einer ähnlichen Wiese aus der Nachbargemeinde verwenden. Wenn aber kein so regionales Saatgut verfügbar ist, empfehlen wir das autochthone Saatgut von: Saaten-Zeller

UNBEZAHLTE WERBUNG
Saaten-Zeller liefert 22 verschiedene Saatmischungen für 22 Regionen Deutschlands.  Mischungen, die in ganz Deutschland vertrieben werden, können nur “Allerweltsarten“ unterstützen, die es in ganz Deutschland gibt. Autochthones Saatgut hingegen hilft auch den spezialisierten Arten, die zum großen Teil besonders gefährdet sind.

Hast du noch weitere Fragen zum autochthonen Saatgut? Dann schreib uns 🙂


Du kannst dich aber auch an deiner Arbeitsstelle und in deiner Gemeinde für insektenfreundliche Flächen einsetzen. Diese Flächen müssen richtig gepflegt werden – für weitere Infos zum Anlegen und Pflegen von großen Flächen kannst du dich an deinen regionalen LPV (Landschaftspflegeverband) wenden. Du findest die LPVs hier.

LPVs helfen euch auch weiter im Hinblick auf spezialisierte Arten und regionale Arten. Regionale Arten wiederum brauchen regionales, autochthones Saatgut.

IV. Mehr Bio bedeutet mehr Artenvielfalt

Bio zu kaufen ist gut für die Artenvielfalt und damit für die Insekten. Vielfalt statt Einfalt ist hier das Motto.

So wie Insekten die Landwirtschaft beeinflussen, beeinflusst die Landwirtschaft die Insekten. In der industriellen Landwirtschaft finden Insekten nur schwer Lebensraum und Nahrung. Herbizide sorgen für Einfalt auf den Feldern, wodurch Insekten kein Futter mehr finden und verhungern. Viele Insektenarten können keine weiten Strecken überwinden und finden in grauen, grünen oder braunen Wüsten schlichtweg keinen Nektar mehr. Flächendeckende Nahrungsversorgung für Insekten muss sichergestellt werden – das geht aber nicht ohne ein Umdenken in der Landwirtschaft.

Der Pestizideinsatz tötet die Insekten direkt. Selbst wenn Insektenschutzmittel nur in geringer Konzentration angewendet werden, akkumulieren sie sich im Boden. Außerdem verbreiten sich über die Bäche und sind dadurch nicht nur auf landwirtschaftlichen Flächen beschränkt. Da Pestizide und Herbizide sich auch durch Wind und Regen verteilen, stellt die sogenannte Abdrift ist ein großes Problem dar. Der Pestizideinsatz schadet dadurch auch der Biodiversität in Bächen, Flüssen, Seen aber auch in kleinen Tümpeln und sogar in Naturschutzgebieten. Vor allem Blühstreifen, die neben konventionellen Feldern liegen, nehmen oft viele der auf dem Feld verwendeten Pestizide auf. Es gibt Studien darüber, dass sich Bienen gezielt die mit Insektenschutzmitteln vergifteten Blühstreifen aussuchen. Es entsteht bei ihnen eine Art Suchtverhalten. Die Tiere werden zu „Abhängigen“ und vergiften sich damit immer weiter.

Da Pestizide sich durch Wind und Regen weiter verbreiten, werden durch Bio-Landwirtschaft auch Naturschutzgebiete vor der sogenannten Abdrift bewahrt. Wer Insekten schützt, schützt somit auch uns Menschen und das gesamte Ökosystem. Wir alle haben eine Wahl. Durch den Kauf von Bio-Produkten unterstützen wir einen insekten-freundlichen Anbau – nicht nur in Hinblick auf Pestizide, sondern auch in Hinblick auf kleinere und somit insektenfreundlichere Strukturen und damit wieder einen größeren Artenreichtum sowie mehr Nahrung und Lebensraum für Insekten.

Eine deutsche Studie zeigt, dass auf ökologisch bewirtschafteten Flächen 23% mehr nektarsuchende Insektenarten vorkommen als auf konventionellen Flächen.

Viele weitere Infos findet ihr im Insektenatlas der Heinrich-Böll-Stiftung: https://www.boell.de/de/insektenatlas

Für die Insekten – und somit für uns – für die Lebenskreisläufe und für unsere Nahrungssicherheit.


Tipp: Nutze Hofverkäufe oder Wochenmärkte mit Erzeugern aus der Region. Sprich das Thema Insektenschutz an.


Gehe mit offenen Augen durch die Welt: Werden Blühstreifen angelegt? Findet ihr am Rand der Getreidefelder oder sogar in den Feldern noch Kornblumen? Gibt es am Wegrand noch die Wegwarte?

Das wären alles Indikatoren für eine gut umgesetzte ökologische und/oder extensive Landwirtschaft, die wirklich insektenfreundlich ist.

Quellen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert